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06.10.2007

Basler Zeitung: Der Unermüdliche Donghua Li pendelt zwischen zwei Welten

Basler Zeitung; 06.10.2007; Seite 53

Der Unermüdliche
 
Donghua Li pendelt zwischen zwei Welten
 
ANDREAS W. SCHMID (Text), NATALIE BEHRING (Fotos), Peking
 
Eine Familie aus der südchinesischen Provinz nähert sich Donghua Li. Ob er ein Foto von ihnen machen könne. Sie wissen nicht, wen sie da fragen. Als sie es erfahren, sind sie aus dem Häuschen. Sofort bildet sich eine Menschentraube, immer mehr wollen mit Donghua Li aufs Foto. Mit dem Olympiasieger auf dem Tian’anmen-Platz.
 
Hier auf dem Platz des Himmlischen Friedens, wo das chinesische Regime 1989 die Proteste der Studenten auf brutale Weise erstickte, hatte Donghua Lis Leben ein Jahr zuvor eine plötzliche Wendung genommen. Ganz zufällig. Denn der im Zentrum Pekings gelegene Tian’anmen-Platz ist gross genug, um sich zu verpassen; mit seinen 39,6 Hektaren Fläche gilt er als der grösste befestigte Platz der Welt. Doch das Schicksal wollte es, dass Donghua Li den Weg der Schweizer Touristin Esperanza Friedli kreuzte. Eine Begegnung, die seine Zukunft bestimmen sollte. Er hat sich schon oft die Frage gestellt, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er den Ort nur eine halbe Stunde später überquert hätte. Eine Antwort hat er nicht gefunden. Er mag sich nicht vorstellen, dass er dann ganz normal in China als Kunstturner Karriere gemacht hätte. Ohne je den Weg in die Schweiz zu finden.
 
Dann würde er jetzt zu Beginn unserer Begegnung auch nicht seine Taschen im Kofferraum des Minibusses so zurechtrücken, dass sie im Schatten liegen. «Ich habe jede Menge Schweizer Schokolade mit dabei», erklärt Donghua Li in einem Mix aus Schweizer- und Hochdeutsch mit chinesischem Akzent, «wäre ja schade, wenn sie schmelzen würde.» Auch nach zwei Jahrzehnten ist er spürbar stolz darauf, dass er die geliebte Spezialität in seiner alten Heimat verschenken darf. Obwohl es in Peking längst Schweizer Schokolade zu kaufen gibt; die kostet aber mindestens doppelt so viel wie in der Schweiz.
 
Wir fahren zum Olympic Green, wo die meisten Wettkampfstätten für die Olympischen Spiele im nächsten Jahr angesiedelt sind. Viele der Strassen, durch die unser Weg führt, sind trostlose Häuserschluchten, eine monotone Abfolge moderner Bürogebäude. Mit dem ursprünglichen Peking hat das nicht mehr viel zu tun. «Jedes Mal», sagt Li, «wenn ich wieder hierher komme, steht plötzlich ein neuer Turm da.» Donghua Li erklärt diese ungestüme Bauerei so: «China ist gross, hier wohnen 1,4 Milliarden Menschen. Da wird natürlich in grösseren Dimensionen gedacht.»
 
Keinen Schritt weiter! Als besonders gigantisch gilt das Olympiastadion, entworfen von den Basler Architekten Herzog & de Meuron. Donghua Li möchte es sich von so nahe wie möglich anschauen. Doch sogar einem olympischen Goldmedaillengewinner sind in China Grenzen gesetzt: Er darf den Eingang der «Vogelnest»-Baustelle nicht durchschreiten. Ein uniformierter Wachmann streckt die Hand aus, macht das «Stopp»-Zeichen und keine Anstalten, bei dem prominenten Besucher ein Auge zuzudrücken.
 
Donghua Li ist weit davon entfernt, sich darüber zu ärgern. Die Hände in den Hosentaschen betrachtet er das Bauwerk aus über zweihundert Metern Entfernung. Das Verbot, das Prunkstück der Olympischen Spiele zu besichtigen, sei zu erwarten gewesen. Gerne hätte er uns noch das Nationale Leistungszentrum für die Kunstturner gezeigt, jenen Ort, wo einst seine grosse Sportler-Karriere begann. Doch das war ebenfalls nicht möglich, zumindest nicht so kurzfristig. «In China ist vieles starrer», sagt Donghua Li, «deshalb haben wir gelernt, uns in Geduld zu üben.»
 
Auch beim Olympischen Dorf, wo die rund 10 000 Athleten wohnen werden, ist Zurückhaltung geboten. Auf dem Areal darf man nicht fotografieren oder filmen. «Dream World» heisst die Anlage, deren Appartements nach den Olympischen Spielen gekauft und bezogen werden können. Donghua Li schaut sich die Modelle an, blättert in einem Prospekt und schüttelt ungläubig den Kopf. «Wahnsinn», findet er, «20 000 Yen kostet hier der Quadratmeter.» Das sind 3100 Franken. Li ist sich sicher, dass diese Preise nach den Spielen zusammenfallen werden, wenn der olympische Hype vorüber ist. «Denn so schön ist die Lage auch wieder nicht, dass so viel Geld gerechtfertigt wäre.» Ihm gefallen die traditionellen kleinen Gassen Pekings, die Hutongs, besser als die Wohnsilos, die überall hochgezogen werden.
 
Donghua Li kennt sich aus in Peking. Er hat hier lange gelebt und besucht die Stadt mehrmals im Jahr. Als Berater bietet der 39-Jährige seine Dienste Schweizer Unternehmen an, die in China tätig sind. Dazu passt, dass Swiss Olympic ihn für Olympia zum Attaché erkürt hat. «Er ist für uns Türöffner, Übersetzer und Kenner der chinesischen Mentalität», erklärt Werner Augsburger, der Schweizer Delegationsleiter für Peking 2008, warum die Wahl auf Donghua Li fiel. «Und natürlich ist er als ehemaliger Olympiasieger sehr populär.»
 
 
Auch in China.
 
WIE EIN SCHICKSALSROMAN. Zhang Ziying begleitet Donghua Li in das kleine chinesische Lokal, das verwinkelt in einem Hutong beim Platz des Himmlischen Friedens gelegen ist. Ziying dreht für den staatlichen Sender CCTV einen längeren Dokumentarfilm über das Leben seines ehemaligen Landsmannes. Weil es sich liest wie ein Schicksalsroman. «Das hat uns fasziniert, das wollen wir rechtzeitig auf die Olympischen Spiele hin nochmals erzählen.»
 
Allein die Verletzungen, die Donghua Li während seiner Karriere erlitten hat, wären einen Film wert. Schwere innere Blutungen nach einem missratenen Sprung, Verlust der linken Niere und der Milz, Stauchung zweier Halswirbel, Riss beider Achillessehnen, Brüche mehrerer Finger. Es sind wohl gerade diese Schicksalsschläge, die Donghua Li nun alles doppelt geniessen lassen. Man hat das schon oft gehört: Wer dem Tod schon einmal ins Gesicht geschaut hat, empfindet nachher vieles, auch das Alltägliche, intensiver.
 
Sieben verschiedene Gerichte haben wir vor uns liegen, gedämpftes Fleisch in einer Art Frühlingsrolle, Schweinshaxe, Tofu, gekochtes Gemüse mit Crevetten. Donghua Li findet alles «köstlich» und geniesst es, einen Moment hier zu verweilen. Die anderen Gäste, alles Chinesen, verhalten sich anders. «Sie kommen», sagt er, «essen und gehen gleich wieder.» Das sei früher anders gewesen, diese Eile hat sich extrem verschärft. «Die Menschen haben kaum mehr Zeit füreinander.» Und sie wollten immer mehr.
 
Donghua Li erzählt vom einzigen Fernsehgerät, das früher in seiner Sportschule gestanden habe. «Um garantiert einen Platz zu haben, mussten wir ihn bereits eine Stunde vorher belegen.» Dafür sei die Vorfreude umso grösser gewesen. Heute hingegen gelte vieles als selbstverständlich. Donghua Li ist kein hoffnungsloser Nostalgiker, doch die nun auch in China um sich greifende emotionale Abgebrühtheit der Menschen bereitet ihm Mühe. Er führt sie auch auf die chinesische Einkind-Politik zurück, die eine ganze Generation von verwöhnten, überversorgten Einzelkindern produziert habe.
 
TRAUMATISCHE TAGE. Später stehen wir auf dem Tian’anmen-Platz. Erinnerungen werden wach an jene Zeiten, in denen sich niemand für Donghua Li interessierte. 1988 verletzt er sich nach einem Sturz vom Barren schwer, eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Seoul ist damit unmöglich. Während jener Zeit radelt er eines Tages auf dem Weg zu einem Freund über den Tian’anmen-Platz und lernt Esperanza Friedli kennen. Der Wendepunkt in seinem Leben. Die beiden verlieben sich ineinander, sehr zum Unmut der Verbandsfunktionäre, die sich wegen Lis Verletzung ohnehin fragen, ob mit ihm weiter zu rechnen sei. Donghua Li wird ein Ultimatum gestellt: Er muss sich in drei Tagen entscheiden › Turnkarriere oder Liebe. «Es waren traumatische drei Tage, am Ende hörte ich auf mein Herz.»
 
Nach der Bekanntgabe seiner Entscheidung bleiben ihm sechs Stunden, um seine Sachen zu packen. Eine abrupte Entwurzelung aus seiner Ersatzfamilie. Fünf Jahre zuvor hat er seine Eltern in Chengdu verlassen, um im Nationalkader in Peking zu trainieren. Esperanza und er heiraten, nachdem sein Vater dabei behilflich gewesen ist, ihn auf einem nötigen Dokument ein Jahr älter erscheinen zu lassen; für seinen Jahrgang herrscht damals im überbevölkerten China ein Hochzeitsverbot. Donghua Li hat darüber ein Buch auf Chinesisch geschrieben. Eine Ausgabe auf Deutsch und in Englisch hat er vage in Planung, er hofft, dass es bis zu den Olympischen Spielen noch reicht. Leser fände er gewiss mit seiner abenteuerlich anmutenden Geschichte.
 
Anfang 1989 trifft er nach einer 13-tägigen Zugfahrt über Moskau in Luzern ein, «fürs Flugzeug reichte unser Geld nicht». Er freut sich auf die Schweiz und darauf, als Chinesischer Meister im Kunstturnen mit offenen Armen empfangen zu werden. Doch es kommt anders: «Kein Mensch hat auf mich gewartet.» Donghua Li muss erkennen, dass in der Schweiz nicht nur die Temperaturen kalt sind. Er hat Mühe mit der Sprache. Zudem darf er sein Können während der fünf Jahre bis zur Einbürgerung nicht an internationalen Wettkämpfen zeigen und ist auf finanzielle Unterstützung seiner Umgebung angewiesen. Eine Demütigung für ihn. In China verdiente er mit dem Turnen bereits im Alter von elf sein erstes Geld.
 
Und natürlich wird er von Heimweh geplagt. Die Proteste auf dem Tian’anmen-Platz verfolgt er aus der Ferne. Donghua Li hofft nicht unbedingt auf den Fall des chinesischen Regimes, aber darauf, dass die Demonstrationen «positive Veränderungen» bewirken.
 
Ende als Neuanfang. Niemand ausser Esperanza glaubt an seine Rückkehr zur Weltspitze. Doch Donghua Li gibt nicht auf, steckt alle Rückschläge weg. Er ist unermüdlich. 1996 werden er und seine Frau für die schwierigen Zeiten reichlich entschädigt: Erst holt er an Olympia in Atlanta Gold für seine neue Heimat. Da ist er bereits seit drei Jahren Schweizer. Im Dezember wird Töchterchen Jasmin geboren. Heute ist sie zehn Jahre alt › und die wichtigste Person in seinem Leben. Von Esperanza ist er mittlerweile geschieden, Donghua Li redet ohne Bitterkeit darüber. «Warum auch», sagt er, «ich bin einfach nur dankbar für die 16 Jahre, die wir zusammen waren.» Ein Ende sei auch immer ein Neuanfang, sagt er, der schon so oft von vorne beginnen musste.
 
Donghua Li lebt in Benglen oberhalb des Greifensees in einer grossen Dachwohnung. Vier Pauschenpferde stehen dort drin. Auf ihnen trainiert er täglich noch immer bis zu zwei Stunden. Er muss fit sein für seine Turnshows, die er an Festen und Empfängen zum Besten gibt. Mit ihnen bestreitet er einen wesentlichen Teil seines Lebensunterhaltes, hinzu kommen Beratermandate, Autogrammstunden und Mental-Seminare; keiner weiss besser als er, wie man sich durchbeisst.
 
Zwei heimaten. Zum Ende der Spazierfahrt bringen wir Donghua Li zu seinem Hotel. Nicht immer wohnt er bei Bekannten, wenn er in Peking weilt. Manchmal logiert er wie ein Tourist aus dem Westen. «Ich habe zwei Heimaten», sagt er, «eine neue und eine alte.» Ist er in der einen, sehnt er sich nach der anderen.
 
Donghua Li verabschiedet sich mit einem kräftigen Händedruck. Er öffnet den Kofferraum und sieht, dass seine Taschen nun doch voll der Sonne ausgesetzt waren. «Oh je, die schöni Schoggi», sagt er. Die sei sicher geschmolzen. Er zuckt mit den Schultern. Donghua Li weiss: Es gibt Schlimmeres im Leben.
 
Sehen Sie sich weitere Fotos von der Spazierfahrt mit Donghua Li durch Peking unter Fotogalerie

 

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